Mittwoch, 7. Mai 2014

Serie "Wand im Kopf" (1): Runter mit den Klamotten (vorzugsweise mental)

Würden Sie jemals komplett nackt in der Öffentlichkeit herum laufen? Um Gottes Willen, natürlich nicht (auch wenn es hier Ausnahmen gibt). Das wäre peinlich und außerdem Erregung eines öffentlichen Ärgernisses (oder sowas ähnliches). Vor Jahrtausenden sind wir aber alle nackt herum gelaufen... Barbarisch? Ja, mittlerweile gilt es als barbarisch. Irgendwann wurde das mal beschlossen und jetzt GILT es als barbarisch - es scheint also nur barbarisch. Aber es ist für uns so selbstverständlich, dass wir gar nicht darüber nachdenken. Was wäre, wenn Ihnen jemand als Kind erklärt hätte, dass Katzen giftig sind und alle hätten das einfach geglaubt und auch rumerzählt? Ja, wir alle würden Katzen für giftig halten - irgendwann wäre natürlich per Zufall rausgekommen, dass es nicht stimmt. Schwieriger ist es beim Nacktsein: Ist das wirklich so schlimm wie es uns vorkommt?


Wie kommt es, dass wir uns so gegen das Nacktsein sträuben (geht mir auch so)? Wir haben noch nie ausprobiert, was passiert, wenn wir es tun (außer als Kinder, da darf man das doch tatsächlich noch). Irgendwann hieß es dann, dass wir immer etwas tragen sollen - das war verwunderlich, war es doch bisher vollkommen in Ordnung. Wir haben also keine Erfahrung gemacht, die gegen die Nackheit gesprochen hat, sondern uns wurde vermittelt, dass man "das nicht macht". Man hat es uns also beigebracht, wir haben es gelernt, niemand hat etwas anderes gesagt und wenn wir es doch gemacht haben, wurden wir aufgefordert es zu lassen. 

Dieser Prozess beinhaltet Erziehung und Sozialisation (vereinfacht: Anpassung an die Gesellschaft). Wir müssen etwas nicht erleben, sondern wir bekommen etwas beigebracht und übernehmen es. Wir glauben das, weil wir unseren Eltern und anderen Menschen vertrauen. Aus diesen Sachen, die wir glauben, werden Überzeugungen, weil es sich bewahrheitet und bestätigt (alle lernen ja ungefähr das gleiche). Mit der Zeit verinnerlichen wir solche Dinge so stark, dass wir sie gar nicht mehr in Frage stellen (die so genannten Internalisierung). So ist in uns also die Überzeugung gewachsen, dass man nicht nackt herum läuft. Wenn wir das jetzt ausprobieren würden, bekämen wir zwar ein bisschen Ärger, aber so richtig viel würde uns gar nicht passieren! Trotzdem würden wir es niemals machen...

Das mit der Nackheit ist ein einfaches Beispiel. Das ist auch gar nicht so wichtig. Aber wie ist es mit anderen Dingen? "Das geht doch nicht", "Ich bin halt so", "Wenn das so einfach wäre", "Das klappt nicht" und so weiter! Aber stimmt das: Das glauben wir, das ist selbstverständlich, davon sind wir überzeugt und das ist unbestritten wirklich so. Genau wie mit der Nackheit. Vieles was uns hindert haben wir so gelernt und es scheint auch tatsächlich wahr zu sein, weil jeder das glaubt. Aber wichtig ist, dass es nur Glaube und Überzeugung ist - wenn Sie wollen können Sie nackt herum laufen.

Wir nehmen unsere Welt nicht nur so wahr wie sie ist, sondern auch so, wie man uns gesagt hat, dass sie ist. Eine Situation ist nicht nur so wie sie konkret ist (nackt herum laufen), wir interpretieren Sie mit dem was wir gelernt haben ("man tut das nicht"), wir bewerten sie ("das ist peinlich") und wir schätzen was passieren wird ("das gibt Ärger"). Wir konstruieren also aus der einfachen Frage "Klamotten oder nicht?" folgende Situation: "Ich kann nicht nackt herum laufen, weil man das nicht tut und das wäre furchtbar peinlich und ich würde Ärger bekommen". Diese Konstruktion der wahrgenommen Welt nennt sich Konstruktivismus und erklärt, warum wir nicht nur auf unsere Wahrnehmung reagieren, sondern sie verarbeiten und erweitern.

Also:
Sie können nicht ohne viel Geld leben?
Sie müssen Karriere machen?
Sie müssen total beliebt sein und unzählige Leute kennen?
Ihr Leben muss total aufregend sein und Sie müssen besser als andere sein?

Wenn Sie was ändern möchten und sich sicher sind, dass das nicht geht: Ist das wirklich so? Oder geht das nur scheinbar nicht? Runter mit den Klamotten!

Im nächsten Teil der Serie geht es viel genauer darum, wie man darauf kommt, wo man vielleicht einer falschen Überzeugung anhängt.

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