Montag, 27. Januar 2014

Rational, irrational, scheiss egal

Haben Sie sich schon mal überlegt warum sich Menschen so verhalten, wie sie es tun? Natürlich hat man immer konkrete Gründe für eine Entscheidung und ein bestimmtes Ziel, wenn man etwas tut. Aber was sind die dahinterliegenden (An)Triebe? Verhalten wir uns so rational wie wir denken oder sind wir eher gefühlsgetrieben?

Der Neuropsychotherapie-Forscher K. Grawe (2004) vertritt mit seiner Konsistenztheorie die Auffassung, dass Orientierung und Kontrolle, Lustgewinn und Unlustvermeidung, Bindung sowie Selbstwerterhöhung oder -Erhaltung Grundbedürfnisse des Menschen sind. 

Was bedeutet das konkret? 
  • Orientierung und Kontrolle bedeutet ungefähr, dass der Mensch gerne über seine Situation im Bild ist (Orientierung), d.h. dass es keine Ungewissheit gibt und man weiß was geschieht. Kontrolle dürfte kaum erklärungsbedürftig sein: Es ist uns wichtig, dass wir "die Lage im Griff" haben. D.h., dass wir entscheiden können was passiert und uns evtl. - wenn wir das wollen - auch der Situation entziehen können wenn uns etwas stört. Das schließt aber auch ein, dass wir lieber über andere bestimmen, als das über uns bestimmt wird. 
  • Lustgewinn und Unlustvermeidung kann man auch gut verstehen: Alles soll Spaß machen, und gut tun - was das Gegenteil bewirkt vermeiden wir. Hier gilt: "Ich Spaß oder die Spaß? ICH!"
  • Bindung und Selbstwerterhöhung oder -Erhaltung sind etwas abstrakter. Vereinfacht könnte man sagen, dass wir bei anderen Anschluß haben wollen (Bindung), beliebt und angesehen sein wollen (Selbstwerterhöhung) und auch etwas dafür tun, dass das so bleibt (Selbstwerterhalt). Leider bedeutet das auch hier  "lieber ich als die anderen".
Da hören Sie vielleicht jetzt schon raus, in welches Horn ich gleich stoßen möchte. Letzlich sind alle diese Dinge nicht so schlimm und nachvollziehbar. Ich würde sogar sagen, dass man alles unter Lustgewinn zusammenfassen kann, weil uns Kontrolle und ein hoher Selbstwert sicherlich auch Lust verschafft. Allerdings ist diese Aufteilung natürlich viel präziser!

Wo liegt jetzt also das Problem? Diese Grundbedürfnisse dürfen wir stillen, es gibt aber - blöderweise - Regeln dafür (auch wenn das nicht jedem klar zu sein scheint). Es gibt Gesetze (zwingende Regeln mit Strafen), Normen (man soll etwas und die Strafen sind nicht klar geregelt wenn man es nicht tut) und Werte (es wäre wünschenswert etwas zu tun; Strafen sind gering). Man könnte sagen, ich darf meine Bedürfnisse nach meinen Rechten befriedigen - aber bei den Rechten anderer hört der Spaß auf. Und genau hier sehe ich - dezent ausgedrückt - "Verbesserungsbedarf".

Sie kennen sicherlich Leute, die sich benehmen wie sie wollen. Menschen, die sich "egoistisch" verhalten. Ich habe mich immer gefragt, warum diese Menschen ignorieren, dass Sie sich so verhalten oder, noch schlimmer, es gar nicht bemerken. Ich denke das Bedürfnis "Lustgewinn" und die anderen, genaueren Bedürfnisse können das gut erklären. Sie sind quasi der (unbewusste) Antrieb, den wir alle von Natur aus haben. Was wir aber erst lernen müssen ist uns so zu verhalten, dass wir anderen nicht schaden, wenn wir unsere Bedürfnisse erfüllen wollen. Und kann man da sagen, dass das bei jedem gut geklappt hat?

Also wenn Ihnen mal wieder jemand "richtig auf den Sack geht", dann überlegen Sie doch mal ob nicht eine der drei Bedürfnisse oben ein gute Erklärung für sein Benehmen wären! 
Will er die Lage kontrollieren? Will er etwas Schönes machen oder was Unangenehmes vermeiden? Oder geht es ihm darum sich toll zu fühlen (bzw. besser als die anderen)?

Ich denke da ist was dran und mit ein bisschen Spürsinn erkennen Sie das leicht (auch bei sich). Letzlich geht es auch ganz einfach immer um Lustgewinn und Unlustvermeidung: Mach da jemand wieder etwas was im gefällt oder drückt er sich gerade vor etwas Unangenehmen? Das kann man immer gut sehen!

Aber warum so egoistisch? Wenn alle das gleiche wollen geht das nicht auf. Dann muss sich jemand durchsetzen und die anderen haben Pech.
Grawe, K. (2004) Neuropsychotherapie. Göttingen: Hogrefe.

2 Kommentare:

  1. Ein wirklich gutes Buch und ein echter Klassiker von Klaus Grawe! Die Literatur kann sehr dabei helfen, menschliches Verhalten zu verstehen und einzuordnen.

    Herzliche Grüße,

    peter reitz

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  2. Ich bin bisher nur über ein Zitat auf die genannte Theorie gestossen, habe mir aber auch nicht zu letzt wegen Ihrem Kommentar vorgenommen (vielen Dank) das Buch gleich zu beschaffen!
    Viele Grüße,
    Frederic Adler

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