Dienstag, 8. April 2014

Ich habe keine Zwangsstörung - ich bin nur sehr fleißig.

Es ist ungefähr 14.00 Uhr. Wie war der Tag bisher? Fühlt es sich schon wie abends an? Wenn ich recht habe, fühlen Sie sich um diese Uhrzeit schon so müde, wie am Abend, oder die Arbeit war schon wieder so viel, dass es eigentlich reicht (Hausarbeit zählt da auch dazu). Herzlichen Glückwunsch, damit gelten Sie als "faul" oder "unbelastbar". Also verschweigen wir das besser und quälen uns durch den restlichen Tag. Denken Sie nicht auch manchmal, dass das alles total übertrieben ist? Finden Sie das alles wirklich erfüllend und fühlt es sich "richtig" für Sie an? Ist ja auch egal - dann muss man halt die Backen zusammenklemmen und weitermachen. Oder etwa doch nicht?

Mit dem Aufkommen des neuen, psychologischen Standardwerkes (DSM V) wurde schon oft kritisiert, dass ganz normale psychische Phänomene plötzlich als Krankheit (genauer als Störung) ettiketiert werden. Da muss man wirklich vorsichtig sein. Erstaunlicherweise findet sich "Workaholic" nicht als solche Störung. Das ist ja auch etwas Gutes in unserer Gesellschaft. Allerdings sind die Vorstellungen davon international sehr unterschiedlich - haben Sie schonmal in anderen Ländern gearbeitet? Da kuckt man aber, wie das da läuft. Ich möchte heute mal die Definiton von einer psychischen Störung, auf die Worte "Zwangsstörung" und "Fleiß"anwenden. Sind wir Deutschen "fleßig" oder "zwangsgestört"?

Erstmal zum Begriff einer psychischen Störung. Hier hat mal festgelegt, dass viele psychische Störungen, z.B. Ängste, bis zu einem gewissen Umfang ganz normal sind. Da jeder damit unterschiedlich gut klar kommt, kann man auch nicht sagen, wann es für den Einzelnen konkret so schlimm ist, dass man von einer psychischen Störung sprechen kann. Das ist wirklich ein schwieriges Problem. Ein Konsens besteht darin, dass man das individuelle Leiden und allgemein die Einschränkung von persönlichen und sozialen Funktionen als Hinweis auf eine schwere Form verwendet. Das bedeutet: Wenn man es nicht schlimm findet, ist es egal wie schlimm es ist, solange es keine Probleme macht.

Also wenn Sie auf Stress stehen (Eustress), dann hätten Sie vor langer Zeit keine Braunbären zum Verzehr gejagt. Nein, Sie würden die lustigen, putzigen Dinger so lange ärgern, bis Sie total ausflippen und Ihnen stundenlang hinterher laufen (bis es sogar einem Bären zu doof wird).

Beim Fleiß ist es tatsächlich so ähnlich. Erstmal haben Sie keine Wahl: Das gehört so und ist eine gesellschaftliche Tatsache. D.h. wenn Sie mit der hiesigen "Fleiß-Norm" klar kommen und Sie das glücklich macht, dann ist alles wunderbar. Aber, jetzt kommt's: Nach der obigen Definition ist das nicht der Fall, wenn Sie unter den Anforderungen leiden. Wenn es Ihnen immer schwerer fällt, den Anforderungen gerecht zu werden, wenn Sie köperliche Beschwerden bekommen, wenn Sie Ihre Familie oder Freunde vernachlässigen und wenn Sie darunter leiden.

Die Fälle berufsbedingter, psychischer Erkrankungen steigt in den letzten Jahren sehr deutlich. Kann man da sagen, dass unser Ideal vom Fleiß gesund ist? Oder ist Fleiß dann nicht eine gesellschaftlich geförderte, psychische Störung?Ist "Fleiß" eine Zwangsstörung, bei der man keinem inneren, sondern einem äußeren Zwang unterliegt?

Ich persönlich fühle mich gezwungen es etwas ruhiger anzugehen. Das es kein individuelles Leiden erzeugt, fällt das so dann auch unter keine Krankheitsdefinition.

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