Freitag, 11. April 2014

Geld: Störung Nr. 305.90 (DSM IV TR)

Ist Geld nicht schön? Wir fiebern (fast) den ganzen Monat auf die segnende Gelddusche am Monatsende hin. Was für ein  Hochgefühl - endlich wieder Geld auf dem Konto. Doch der Rausch ist kurz: Nach wenigen Tagen ist das meiste weg. Der Entzug wird im letzten Drittel besonders stark. Da heisst es die letzten Groschen zusammenhalten und sparsam "konsumieren". Warum ist am Ende des Geldes immer noch so viel Monat übrig? Aber vielleicht kann man sich ja was dazu verdienen? Also "Augen zu und durch" und danach gibts ne kleine Zusatz-Dosis. Der Rausch ist auch schnell vorbei. Denken Sie dabei nich auch an Drogenabhängigkeit? Großes Verlangen, mühsame "Beschaffung", kurzer Rausch, Ernüchterung und gleich wieder neues (größeres) Verlangen? Da lohnt sich ein Blick auf die Kriterien für eine Substanzabhängigkeit!

Im DSM-IV-TR (dem amerikanischen Handbuch psychischer Störungen) werden folgende Kriterien für eine Substanzabhängigkeit aufgezählt (verkürzt nach Wittchen&Hoyer, 2011, S.701):

"...Toleranz: a) Dosissteigerung oder b) Verminderte Wirkung bei gleicher Dosis..."
Brauchen wir nicht immer mehr Geld, kommen wir nicht immer schlechter mit einem bestimmten Betrag klar, bringt uns eine Gehaltserhöhung eine langanhaltende Befriedigung oder muss die "Dosis" nicht immer weiter steigen?

"...Entzugssymptome: a) Entzugssyndrom der jeweilligen Substanz oder b) Gebrauch zur Vermeidung von Entzugssymptomen..."
Wie geht's uns, wenn die Kohle alle ist? Dann wird's unangenehm. Dann doch lieber den Dispo noch ein bisschen aufstocken und schon kann man sich wieder "nen Schuss" setzen.

"...Häufige Einnahme in größeren Mengen oder längeren Zeiträumen als beabsichtigt..."
Na, wieder mal zuviel ausgegeben? Macht einfach zuviel Spaß...

"...Anhaltender Wunsch/erfolglose Versuche den Gebrauch zu verringern bzw. zu kontrollieren..."
Wie schön wäre es, mit weniger Geld glücklich zu sein oder sich ganz vom Materialistischen zu befreien... Klappt aber nie.

"...Hoher Zeitbedarf für Substanzbeschaffung, Konsum und Erholung von den Folgen..."
Wir arbeiten die ganze Woche für unseren monatlichen Vorrat. Vielleicht noch ein Nebenjob am Wochenende oder Abends? Da ist man ganz schön im Eimer und kann sich kaum erholen. Aber Nachschub muss her!

"...Aufgabe/Einschränkung wichtiger Aktivitäten (Beruf, Freizeit, Kontakte)..."
OK, der Beruf ist ja hier der "Drogenstrich", aber wenn Papi die lieben kleinen nur noch am Wochende zu Gesicht bekommt, dann fehlt da schon was. Oder wann hat man das letzte Mal etwas mit Freunden gemacht?

"...Fortgesetzter Gebrauch trotz Kenntnis vorliegender negativer psychischer und physischer Auswirkungen..."
Na, noch keinen Burn-Out? Dann ist ja gut. Aber auch mit Burn-Out wird es nicht besser: Hilft ja nichts, das Zeug muss her! Ohne geht einfach nicht. Aber wäre nicht weniger mehr? Keine Exzesse, keine Endlosspirale!

Ich beantrage eine Kodierung für die Substanzabhängigkeit nach Geld (umgangssprachlich "Geldgier"). Beziehungsweise es gibt schon eine: "Andere/unbekannte Substanzen" hat die Nummer 305.90.

Zitate aus: H.U. Wittchen, J. Hoyer (2011) Klinische Psychologie & Psychotherapie. Berlin, Heidelberg: Springer.

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