Mittwoch, 26. November 2014

Disziplin ist wie Gemüse: Soll gut sein, macht aber keinen Spass.

Mögen Sie Gemüse?  Wenn Sie kein absoluter Fan von Gemüse sind, sollte Ihnen das hier bekannt vorkommen: Wenn man irgendetwas isst, das man liebt ist das ein quasi-erotisches Erlebnis. Aber haben wir das gleiche Gefühl wenn wir einen richtig gesunden Gemüseteller gegessen haben? Die meisten eher nicht. Aber warum? Das Gemüse ist doch so gut für uns - warum lieben wir das nicht? Ganz einfach: Wir haben nur etwas getan was wir sollen - nicht etwas, dass wir wollen! Was glauben Sie wie viele Dinge man den ganzen Tag tut, die man tun SOLL? Wieviele Dinge tun Sie, die Sie tun WOLLEN? Wie kann es uns da wundern, dass wir nicht glücklich werden! Sind wir nicht eine Gesellschaft von Pflichtversessenen? "Erst die Arbeit - dann das Vergnügen"; aber bleibt da noch Zeit und wissen wir überhaupt noch, was Vergnügen ist?

In der kognitiven Therapie unterscheidet man in einer typischen Aufgabe bei Depressionen zwischen Erfolgen und Vergnügen. Alles was man den ganzen Tag gemacht hat, soll man danach bewerten, ob es ein Erfolg oder ein Vergnügen war. Aber ist das nicht das gleiche? Eben nicht: Ein Erfolg ist es, wenn man etwas erreicht hat, was man erreichen soll. Aber da muss überhaupt kein Vergnügen im Spiel sein. Essen Sie also ruhig brav weiter Ihr Gemüse. Man könnte fast sogar sagen, dass Vergnügen verboten ist: Es ist egoistisch, unreif, unseriös, zweckfrei, bring uns nicht weiter - schlicht: Vergnügen ist etwas für Versager. Unsere Gesellschaft definiert Freude und Vergnügen also als nutzlos und minderwertig. Und jetzt fragen wir uns noch, warum wir auch psychisch immer frustriert auf Rohkost rumkauen, anstatt eine hemmungslose Schoko-Party zu schmeissen (hemmungslos heisst ja auch schon wieder "disziplinlos").

Alles was in unserer Gesellschaft als erstrebenswert gilt ("Werte", Normen etc.), hat also nichts damit zu tun, ob es uns damit gut geht. Da kann man noch so viel "Ziele erreichen", es macht aber keine Freude, weil man nicht das tun wollte, sondern es nur macht, weil man es machen soll oder muss. Falsche Werte machen uns also nicht glücklich. Diese Werte sind aber so tief ins uns verwurzelt, dass wir ab einen gewissen Alter schon gar nicht mehr wissen, was Spaß macht. Kein Wunder: Vergnügen gilt ja als kindisch. Umgekehrt heisst das doch, dass Erwachsene kein Vergnügen haben. Wie traurig.

Aber das bedeutet nicht, das jeder machen soll was er will, sondern man soll anders auswählen. Ein geiles Hobby, kein angesagtes. Ein schönen Beruf, keinen angesehen/lukrativen. Keine Staussymbole, sondern Dinge die wirklich Freude machen. Natürlich kann man dann sagen "dann bin ich ja nicht mehr cool, dann achten mich  meine Freunde oder Nachbarn nicht mehr, dann kann ich mir ja gar nichts kaufen...". Aber was haben Sie denn von Freunden, die Sie nur mögen, wenn Sie irgendetwas machen, worauf Sie keine Lust haben? Es gibt doch auch Leute, die das mögen, was Sie mögen. Was hat man von hohem Ansehen, wenn man sich jeden Tag in die Arbeit quält? Sollen wir Leute ernst nehmen, die UNS nur erstnehmen, wenn wir irgendwelchen Oberflächlichkeiten entsprechen? Was nützt uns eine vollgestopfte Wohnung, wenn die Freude am Gekauften schon auf dem Heimweg flöten geht?

Wenn man so drüber nachdenkt hat Gemüse wenigstens den Vorteil, dass es gesund ist. Aber was hat man von Disziplin? Nichts was glücklich macht, nur Dinge, die man haben soll. Also wenn Sie Ihr ganzes Leben Gemüse essen bleiben Sie gesund - wenn Sie Ihr ganzes Leben lang brav sind, haben Sie nur Ihr Leben verschwendet.

Wenn Sie jetzt sagen, dass man das Leben verschwendet, wenn man nichts erreicht, dann sind Sie nur wieder auf das Soll und Muss reingefallen. Wenn alle Erfolge unzufrieden machen, was sind Sie dann wert? Warum sollen ausgerechnet DAS die großen Ziele sein? Wozu?


1 Kommentar:

  1. Es kommt immer auf die Balance an. Erfolge sind schön, wenn man sich selbst über diese freut. Etwas zu erreichen, nach dem man gestrebt hat, kann einen wirklich erfüllen. Leider muss man im Leben auch manchmal Aufgaben übernehmen, die zwar Erfolg versprechen, aber nicht erfüllen und keine Freude bereiten. Es sollte nur nicht zu oft vorkommen.
    http://psychologische-hilfe.blogspot.de/

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