Dienstag, 2. Dezember 2014

Schluss mit lustig: Vergnügen ist eine ernste Angelegenheit.

 Da haben wir im Laufe unserer Entwicklung endlich die langsame Veränderung durch Evolution überwunden, nur um festzustellen, dass wir uns in eine falsche Richtung bewegen! Unsere rationale Art, die Gefühle (positive wie negative) ächtet, scheint nicht im Sinne der Evolution zu sein. Wir halten uns also für schlauer, als unser eigenes Gehirn. Oder warum versuchen wir Emotionen zu unterdrücken, wo sie doch offensichtlich zu unserem psychischen System gehören? Wir sind wie ein Hund, der seinen Schwanz jagt um ihn loszuwerden. Man dreht sich im Kreis, wenn man versucht etwas loszuwerden, das zu einem gehört.

Im letzten Post ging es darum, dass Disziplin (oder ähnliches wie Pflichtgefühl) einen guten Ruf, aber eine schlechte Bilanz hat. Das natürlich nur, wenn man die "Früchte der Arbeit" (Erfolg, Geld etc.) danach hinterfragt, wie glücklich diese machen. Wir sind natürlich so darauf getrimmt, "Erfolg" als gut anzusehen und "Vergnügen" als schlecht(er). Allenfalls gibt es "genehmigte" Vergnügungen, die akzeptiert sind: Kunst, Literatur, Theater, Oper, Golf und so weiter. Ich will aber hier eine einfache Begründung anführen, warum diese Sichtweise nur aus Perspektive von bestimmten gesellschaftlichen Setzungen korrekt ist und warum das aus unserer Natur heraus in Frage gestellt werden sollte.

In
Berridge and Kringelbach: Building a neuroscience of pleasure and well-being. Psychology of Well-Being: Theory, Research and Practice 2011 1:3.
beschreiben die Autoren die neuropsychologischen Überlegungen zu "Wohlbefinden", die zu einer Neurowissenschaft des Vergnügens und Wohlbefndes führen soll. Für uns ist aber nur eine Feststellung wichtig, die mehrfach in dem Dokument wiederholt wird:

Warum haben sich über einen sehr langen Evolutionszeitraum Gehirnfunktionen erhalten, denen Freude und Wohlbefinden zugeschrieben werden?

Und das ist besonders interessant: Wir halten uns für die Krönung der Schöpfung, die sich seit einer gewissen Zeit viel besser entwickelt, als andere Arten auf der Erde. Wir gehen also aus einer zunehmend überlegeneren Art hervor; aus einer Art, für deren Erfolg "Freude und Vergnügen" ein Überlebens- und Durchsetzungsfaktor waren! Andersfalls hätten sich freudlose, rationale Verwandte eher durchgesetzt!

Auch wenn aus unserer heutigen Interpretation nicht ganz klar wird, warum das für das Überleben der Art wichtig war, kann man sicher eines sagen: Unser psychisches System ist auf das Vorhandensein von Freude und Vergnügen angewiesen. Disziplin und Lustverzicht schränken unser Erleben und unsere Lebensqualität stark ein. Mehr noch: Auch aus diesen Gründen können uns psychische Erkrankungen nicht nur einschränken, sondern stark behindern - auch unsere hochgeschätzte Leistungsfähigkeit. Aber in diesem Fall wird man ja sowieso aus der Gesellschaft ausgeschlossen!

Also wenn sich mal wieder die Frage stellt, warum auf Vergnügen verzichtet werden soll, dann gibt es aus Evolutionssicht dafür keine Antwort.

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